Digitales Mobbing eines „Schlag den Raab“-Kandidaten: Wo war das Community Management?

Wir schreiben Samstag, den 12. September 2009. Zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr startet die moderne Gladiatoren-Sendung „Schlag den Raab“, in welcher der Moderator Stefan Raab gegen einen von den Zuschauern ausgewählten Kandidaten antritt. Preisgeld für diesen Abend: 500.000 Euro. Kandidat der Zuschauer-Wahl ist diesmal Hans-Martin Schulze, ein 24-jähriger Pharmazie-Praktikant aus dem schönen Oldenburg. Die Sendung endet weit nach Mitternacht und Hans-Martin Schulze ist nach dem 15. und letzten Spiel um 500.000 Euro reicher.

Digitales Mobbing bei Twitter
Was in den Stunden dazwischen allerdings in den Social Media-Diensten passiert,  ist gleichermaßen interessant wie erschreckend. Innerhalb kürzester Zeit macht sich der Kandidat nicht nur beim Studiopublikum unbeliebt, sondern bringt auch die Netz-Gemeinde gegen sich auf. Was zum Start der Sendung mit witzig gemeinten Kommentaren der harmloseren Sorte beginnt, steigert sich im Verlauf der Sendung zu teilweise üblen Beschimpfungen, die ich an dieser Stelle auch nicht auszugsweise wiederholen möchte. Wer möchte, kann sich unter dem Hashtag #sdr selbst ein Bild über die Twittersuche machen. Erfreulicherweise gib es inzwischen auch zahlreiche Stimmen, die die gestrige Entwicklung gleichermaßen kritisch sehen. Unter anderem von Stefan Niggemeier im FAZ-Blog und im Blog von Richard Gutjahr.

Anti-Gruppen bei StudiVZ und Facebook
Doch damit nicht genug. Für den von der Twitter-Gemeinde kurzerhand zu „Hassmartin“ umgetauften Kandidaten wird ein Fake-Twitterprofil angelegt, welches  innerhalb kürzester über 400 Follower gewinnt. Auch bei StudiVZ und Facebook ist man aktiv. Während der Gruppenname „Die große Anti-Hans-Martin Gruppe“ bei StudiVZ fast noch harmlos klingt, wird man bei Facebook mit „Ich könnte Hans-Martin pausenlos die Fresse polieren!!!!!!!!!“ schon sehr viel deutlicher. Erwartungsgemäß schließen sich bis zum Ende der Sendung über 1.000 Mitglieder den Gruppen an. Inzwischen sind es weit über 4.000 Mitglieder.

Screenshot StudiVZ-Gruppe

Screenshot StudiVZ-Gruppe

Wo war das Community Management?
Keine Frage, Twitter und das Internet leben davon, dass eine weitestgehend freie Meinungsäußerung möglich ist. Dies soll und muss auch so bleiben, mit allen Vor- und Nachteilen. Aber in Bezug auf das selbsternannte Medienunternehmen StudiVZ und das kürzlich vom Stern mit „Generation Facebook“ geadelte Social Network Facebook, stelle ich mir angesichts der Entwicklung die Frage: Wo war bzw. wo ist eigentlich das Community Management? Ich vermute im mehr oder weniger wohlverdienten Wochenende… Wie kann es sein, dass bis zum jetzigen Zeitpunk die beiden genannten Gruppen immer noch existieren? Garniert mit beleidigenden Kommentaren der übelsten Sorte und natürlich auch mit wenig schmeichelhaften Fotos des Kandidaten Hans-Martin.

In mir wächst die leise Vermutung, dass das Community Management in den genannten Netzwerken entweder nicht über die nötige Sensibilität verfügt oder angesichts von Entwicklungen wie in der vergangenen Nacht schlichtweg überfordert ist. Im Internet gibt es eben so etwas wie Feierabend und Wochenende nicht. Was hier passiert, ist m.E. nichts weiter als „digitales Mobbing“ an einem Kandidaten einer zugegebenermaßen durchaus unterhaltsamen TV-Show. Ich sehe schon die Schlagzeilen in der nächsten Woche vor mir, wenn die klassischen Medien das Thema aufgreifen und, diesmal wohl zu recht, die Entwicklungen in den Sozialen Medien an den Pranger stellen.

Fazit
Millionen von Mitgliedern in der eigenen Community zu beherbergen, ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht interessant, sondern beinhaltet auch ein hohes Maß an Verantwortung. In erster Linie gegenüber den Mitgliedern, aber natürlich vor allem auch gegenüber Personen, die in negativer Weise von den Aktivitäten in den Netzwerken betroffen sind. Von einer Vorbildfunktion möchte ich gar nicht erst reden. Dafür hat neben der Geschäftsführung in erster Linie das Community Management Sorge zu tragen. Wenn das mit den aktuellen Strukturen und Prozessen nicht zu leisten ist, sollte hier definitiv schnell nachgebessert werden.

10 Gedanken zu „Digitales Mobbing eines „Schlag den Raab“-Kandidaten: Wo war das Community Management?“

  1. „In mir wächst die leise Vermutung, dass das Community Management in den genannten Netzwerken entweder nicht über die nötige Sensibilität verfügt oder angesichts von Entwicklungen wie in der vergangenen Nacht schlichtweg überfordert ist.“

    Inzwischen existieren weit über 100 Anti-H&M Gruppen auf StudiVZ. Und da wir Sonntag haben, werden die auch alle weiterhin bestehen und erst Morgen, wenn überhaupt abgeändert. StudiVZ war dahingehend noch nie so hart am durchgreifen.

  2. Ich war selbst mal von Mobbing bei StudiVZ betroffen. Nachdem ich die schoene „melden“ Funktion nutzte bekam ich auch eine Rueckmeldung seitens StudiVZ.
    Sinngemaess etwa:

    „Anscheinend kennen Sie die verantwortlichen Personen. Sprechen Sie diese zuerst selbst an.“

    Danke…
    Wer braucht schon solche Netzwerke?

  3. Die bei StudiVZ werden vor allem was solche Löschgeschichten angeht total unterbesetzt sein. Mich würde mal interessieren, wie viele Sachen da allein an einem Tag gemeldet werden und wie viele Mitarbeiter für solche Management-Tätigkeiten angestellt sind. Sicherlich ist StudiVZ über kommende und steigende Medienpräsenz nicht abgeneigt, man hat ja einiges zu verlieren, wenn mal auf das Wachstum von Facebook in Deutschland schaut.

  4. Hi,

    während ich Facebook und den anderen VZs ja noch eignestehe, dass dort wahrscheinlich irrsinnig viele Vorfälle gemeldet werden, ist es erschreckend das in der Community bei http://www.schlagdenraab.de überhaupt nicht eingegriffen wurde.

    Andererseits wundert das auch nicht, den Kommentator, Moderator und Namensgeber haben ja bei dem Mobbing mitgemacht, dabei wurde Herrn Raab doch nur der Spiegel vorgehalten.

  5. Weil es gerade wieder aktuell ist:

    Die Kandidatin vom vergangenen Samstag wird auch schon gemobbt, weil sie 66 zu 0 gegen Raab verloren hat. Noch während der Sendung wurden Links bei Twitter zu ihrem Facebook-Profil und anderen privaten Einträgen verteilt…

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