Klassifizierung und Priorisierung von Mitglieder-Anfragen im Community Management

Im Regelfall ist der Community Manager direkt oder indirekt dafür verantwortlich, auf (kritische) Anfragen von Community-Mitgliedern zu reagieren. Daher möchte ich in diesem Artikel einen kleinen Leitfaden zusammenstellen, anhand welcher Kriterien man im Community-Support den inhaltlichen Stellenwert und damit einhergehend die grundsätzliche / zeitliche Priorität von Anfragen durch Community-Mitgliedern einschätzen kann. Der Artikel bezieht sich dabei bewusst ausschließlich auf Anfragen von bereits bestehenden Mitgliedern innerhalb der eigenen Community.

Eine Anfrage kann man wie folgt klassifizieren:

  • Anfragesteller (Von welchem Mitglied stammt die Anfrage?)
  • Kommunikationskanal (Auf welchem Weg wurde die Anfrage gestellt?)
  • Adressat (Richtet sich die Anfrage direkt an das Community Management oder auch allgemein an die Community?)
  • Dringlichkeit (Wie wichtig ist dem Mitglied die Anfrage? Einschätzung von Seiten des Community Managements UND des Mitglieds)
  • Explosivität (Wie kritisch ist das Thema der Anfrage in Bezug auf die Arbeit des Community Managements bzw. den „Frieden“ innerhalb der Community?)

Aus theoretischer Sicht wäre es natürlich ideal, jede Anfrage unabhängig von den oben genannten Kriterien innerhalb eines angemessenen Zeitraums abschließend zu beantworten. In der Praxis ist dies allerdings aus Zeitgründen meistens nicht möglich, so dass es zum einen zu zeitlichen Verzögerungen bei der Reaktion kommt und zum anderen auch auf die eigentliche Thematik nicht immer ausführlich eingegangen werden kann. Zusätzlich ist es sogar nicht einmal in allen Fällen sinnvoll, schnell auf eine Anfrage zu reagieren. Im Nachfolgenden möchte ich daher auf die einzelnen Punkte etwas genauer eingehen.

Anfragesteller
Im Idealfall kennt man als Community Manager seine Pappenheimer und kann einschätzen, wie ein Mitglied auf eine gewisse Wartezeit reagiert. Besonders kritische Mitglieder (Nörgler) und neue Mitglieder sollten mit einer höheren Priorität behandelt werden. Stammuser sind im Regelfall etwas geduldiger, bei zu großer Verzögerung aber oft verärgert.

Kommunikationskanal
Anfragen per E-Mail oder per Direkter Nachricht über die Community-Software haben für das Mitglied im Regelfall einen höheren Stellenwert, eine gewisse Verzögerung bei der Antwort 24 bis maximal 48 Stunden wird allerdings in Kauf genommen. Wohlgemerkt unabhängig vom Wochentag / Wochenende! Bei telefonischen Anfragen wird eine sofortige Reaktion erwartet. Bei Anfragen via Support-Forum wird erfahrungsgemäß ebenfalls eine gewisse Verzögerung für eine Reaktion in Kauf genommen und auch (passende) Antworten von anderen Mitgliedern akzeptiert. Wichtig: Anfragen via Support-Forum sind im Regelfall öffentlich sind. D.h. unabhängig vom Inhalt wird die Anfrage, die Antwort und natürlich auch die Reaktionszeit bis zur Anfrage von sehr viel mehr Mitgliedern wahrgenommen, als man dies vermuten würde.

Adressat
Richtet sich eine Anfrage direkt an das Community Management bzw. an einen speziellen Community Manager, so wird auch von diesem eine Reaktion erwartet. Im Regelfall auch unabhängig davon, ob die Anfrage inzwischen beispielsweise durch ein anderes Mitglied beantwortet worden ist.

Dringlichkeit
Bei der Dringlichkeit gibt es immer zwei Sichtweisen: Die des Mitglieds und die des Community Managements. Anfragen nach verlorenen Passwörtern sind beispielsweise grundsätzlich dringlich, da das Mitglied ohne Passwort die Community nicht nutzen kann. Einige Mitglieder neigen allerdings dazu, jede Anfrage unabhängig vom Inhalt als dringlich einzustufen. Ein gewisser und   mit Umsicht eingsetzter „Erziehungseffekt“ kann hier die künftige Arbeit des Community Managers stark erleichtern.

Explosivität
Der Faktor „Explosivität“, d.h. wie hoch ist das Konfliktpotenzial, wenn die Anfrage nicht umfassend genug oder nicht schnell genug bearbeitet wird, spielt primär bei öffentlichen Anfragen eine Rolle. Eine Einschätzung dieses Faktors bedarf natürlich entsprechender Erfahrung und inhaltlicher Kenntnisse sowie einer guten Übersicht über die Mitglieder-Struktur. Im Zweifelsfall haben Anfragen mit einem hohen Explosivitäts-Faktor allerdings absolute Priorität.

Was heißt das für die Praxis?
Im Idealfall erfolgt auf alle Anfragen innerhalb von 24 längstens 48 Stunden eine Reaktion von Seiten des Community Managements. Kann das Problem selbst nicht in diesem Zeitraum gelöst werden, sollte das Mitglied eine Statusmeldung erhalten. Von „wir kümmern uns“ bis „Problem wird am Dienstag gelöst“ ist im Prinzip alles möglich. Allerdings werden automatische Antworten / Empfangsbestätigungen von den Mitgliedern nicht als Reaktion gewertet!

Als besonders kritisch sind öffentliche Anfragen z.B. via Forum von hoher Explosivität zu werten. Beispielsweise Beschwerden über Sicherheitslücken, verbale Angriffe auf andere Mitglieder o.ä.. Hier gilt: Umgehend reagieren / Antworten! Im Zweifelsfall auch hier wieder darauf hinweisen, dass man sich der Frage angenommen hat und den Zeitpunkt nennen, wann man ausführlich auf die  Fragestellung eingehen kann bzw. das Problem gelöst hat. Ganz wichtig ist, dass die genannten Zeiträume auch wirklich eingehalten werden. Offenheit ist hier ein zentraler Punkt. Der Anfragesteller kann im Regelfall mit einem eingehaltenen Termin in 10 Tagen sehr viel besser leben als mit einem nicht eingehaltenen Termin in 5 Tagen.

Abwarten und Tee trinken
Nicht in allen Fällen ist eine schnelle Reaktion von Seiten des Community Managements sinnvoll. Aus meiner Erfahrung heraus gibt es in nahezu jeder Community bestimmte Themen, die mit schöner Regelmäßigkeit diskutiert werden. Ein Klassiker ist in Forenbasierten Projekten die Einführung eines Chats. Diskussionen dieser Art wiederholen sich beständig. In solchen Fällen ist es für das Community Management oft sinnvoller, zunächst Tee zu trinken und die Community das Thema ausdiskutieren zu lassen. Ein zu frühes Statement bzw. eine zu frühe Entscheidung, egal ob positiv oder negativ, kann unter Umständen entweder den Anfragesteller oder Mitglieder mit einer anderen Meinung vor den Kopf stoßen! Einer weiterer positiver Effekt ist, dass man als Community Manager die Mitglieder und ihre Meinungen in einer ungestörten Diskussion sehr viel besser kennenlernen kann. In gut funktionierenden Communitys mit einer „gesunden“ Mitgliederstruktur kommen die Mitglieder in vielen Fällen auch ohne Einmischung von Seiten des Community Managements zu einem Konsens.

Fazit
Die oben genannten Faktoren sind, wie so vieles in der praktischen Arbeit des Community Managements, natürlich nur Orientierungspunkte. Letztendlich basiert auch bei der Einschätzung  und Beantwortung von Anfragen vieles auf Erfahrungswerten und dem vielgerühmten  Fingerspitzengefühl. Als Faustregel gilt: Schnell reagieren und vor allem möglichst offen mit den Mitgliedern kommunizieren.