Technische Innovation vs. einfache Bedienung – oder das Phänomen wer-kennt-wen

Seit einigen Wochen fließt ein guter Teil meiner Arbeitszeit in die Entwicklung und den Aufbau der Community & Galerie für Kunst Kunstclub.com. Bei Community-Projekten schlagen oft zwei Herzen in meiner Brust: Das des Technik-Liebhabers und das des Community-Managers. Oder anders ausgedrückt: Technische Innovation vs. Einfachheit und Bedienerfreundlichkeit.

Das Phänomen wer-kennt-wen
In den letzten Tagen und Wochen ging verstärkt die bewundernswerte Entwicklung von wer-kennt-wen durch die (Online-)Presse (1, 2, 3). Gerade in Bloggerkreisen anfänglich teilweise wegen der wirklich sehr überschaubaren Funktionalität belächelt, hat wer-kennt-wen allen anderen Netzwerken eines voraus: Es ist so einfach zu bedienen, dass auch die Hausfrau von nebenan (und das meine uneingeschränkt positiv) das Konzept versteht und die Plattform bedienen kann. Mein erster Streifzug durch wer-kennt-wen vor einigen Wochen hat mich wirklich überrascht, dort sind Personen aus meinem Bekannten- und Freundeskreis angemeldet, die mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie von XING gehört haben und trotz Ihrer Anmeldung auf wer-kennt-wen nicht wissen, was ein Social Network ist.

Hier offenbart sich ein interessantes Phänomen: Die Bloggerkreise setzen sich zumeist aus Internet-affinen und technisch versierten Mitgliedern der Internetgemeinschaft zusammen, die Social Networks so selbstverständlich bedienen und verstehen, wie sie über ihr Leben twittern. Ein Großteil der Mitglieder von wer-kennt-wen liest keine Blogs und hat noch nie von Twitter gehört, begeistert sich aber für das simple Konzept von wer-kennt-wen. Wie sollte man auch Funktionen a la Friendsfeed vermissen, die man gar nicht kennt?

USP Funktionsverzicht
Bei der Lektüre des Blog-Eintrags von Teriell zu dem Kunstclub-Projekt und beim Verfassen meiner Reaktion auf die zu dem Blog-Eintrag geschriebenen Kommentare ist mir persönlich (wieder) bewusst geworden, dass gerade der Verzicht auf Innovationen / Funktionen auch ein Alleinstellungsmerkmal / USP sein kann. Zwar spreche ich weniger die Internet-affine Zielgruppe an, erschließe mir damit unter Umständen aber auf der anderen Seite (neue) Zielgruppen, die bisher nicht oder nur eingeschränkt in Online-Communities aktiv waren. Nicht zuletzt, da sich einige Community-Projekte inzwischen mehr und mehr zu einer Art Social Online-Software entwickeln und damit leider auch immer komplexer in der Bedienung werden. Selbstverständlich haben auch diese Projekte ihre Berechtigung, funktionieren aber nicht für jede Zielgruppe.

Bei der Konzeption eines neuen Community-Projektes sollte in Bezug auf diesen Punkt eine sehr klare Entscheidung getroffen werden: Möchte ich die Internet-affine Zielgruppe der bloggenden und Twitter-nutzenden Early-Adopter ansprechen oder soll die Zielgruppe (auch) aus dem Handwerker bestehen, der primär in Form von E-Mail, ebay oder Google Kontakt mit dem Medium Internet hat.

Gerade in den Blogs rund um das Thema Online-Communities und Web 2.0, die ich persönlich im Übrigen sehr gerne lese :-), vermisse ich ab und an den Blick über den eigenen (Online-) Tellerrand hinaus. Meines Erachtens auch ein Grund, warum nur wenige Blogs tatsächlich ein Publikum ansprechen, was sich nicht primär aus anderen Blog-Autoren zusammensetzt.

8 Gedanken zu „Technische Innovation vs. einfache Bedienung – oder das Phänomen wer-kennt-wen“

  1. So, jetzt noch mal ein etwas fundierterer Kommentar, nachdem ich das – angeregt durch den Artikel hier – noch mal getestet habe (nachdem ich mich an mein Passwort erinnert habe). Den Gedanken, dass dies eine ganz andere Zielgruppe ist, finde ich spannend. Ich habe allerdings auch so gut wie niemanden dort wieder gefunden, den ich in anderen Netzwerken nicht gefunden habe. Ich habe andere Kontakte dort gefunden, bei denen ich allerdings weiß, dass sie nicht so internetaffin sind und tatsächlich in keinen oder wenigen anderen Communities verkehren. Insgesamt ziehe ich Stayfriends von der Handhabung her vor, werde aber jetzt wahrscheinlich wieder öfter mal bei wkw gucken. Also vielen Dank für die Erinnerung an dieses Netzwerk 🙂

  2. @Trixy: Den Vergleich mit Stayfriends habe ich bisher nicht gezogen, daher fehlen mir die Erfahrungswerte hierzu. Bei mir war es allerdings im Falle von wkw tatsächlich so, dass ich sehr viele Kontakte gefunden habe, die ich definitiv ibisher nicht anderen Netzwerken gesehen habe. Besonders spannend finde ich vor allem die breite Altersstruktur von 16 bis 65 Jahren. Wie sieht das nach deinen Erfahrungswerten bei Stayfriends aus? Vom Gefühl würde ich hier eher auf einen etwas höheren Altersschnitt tippen.

  3. Ja, ich würde den Altersschnitt bei Stayfriends auch höher ansetzen. Interessant ist Stayfriends meiner Ansicht nach ja eher für Leute, die schon einige Jahre aus der Schule raus sind, bei denen die Kontakte also möglicherweise überall verstreut sind. Primär geht es um Schulfreunde, die verliert man mit der Zeit eben aus den Augen, wenn das Leben so seinen Gang geht. Man hat dann auch andere Interessen, andere Ziele, hat vielleicht auch kein Klassentreffen erlebt; denkt nach vielen Jahren mal wieder an die Schule und wüsste gerne, was aus den Mitschülern geworden ist. WkW verknüpft alle Arten von Kontakten. Ich habe da Kontakte zu Menschen aus anderen Foren, die kenne ich wirklich nur aus diesen Foren. Bei Stayfriends würde ich die nicht suchen.

  4. Stayfriends bringt einen entscheidenden Nachteil mit sich: will ich dort Kontakt mit jemanden aufnehmen, braucht der oder ich einen bezahlten Account, und der wird fuer viele erst Interessant, wenn dort fuer einen persoenlich eine kritische Masse erreicht wird… solange das nicht der Fall ist, gibt es zwar viele registrierte, richtiger Kontakt und rictige Kommunikation ist da aber nur begrenzt vorhanden. Das Stayfriends ueberhaupt so praesent ist liegt imho in erster Linie an deren ausgezeichneter SEO (Optimierung fuer Suchmaschinen), durch die ich bei der Suche nach einigen Personen (oder auch wenn ich nach mir selber Google) bei den Top Ten haeufig einen Verweis zu Stayfriends finde.

    Wenn ich dagegen meine Kontaktlisten auf Xing und wkw vergleiche (bei letzterer habe ich uebrigens nur Kontakte die ich auch aus dem RL kenne, „reine“ Onlinebekanntschaften stehen dort nicht auf meiner Liste), finde ich zwar eine Schnittmenge, die ist jedoch relativ gering: mein Eindruck geht da eher in die Richtung, dass sich viele „Xingler“ entweder zu gut fuer wkw sind, bzw. dem rein sozialen Netzwerk eher kritisch gegenueber stehen (und da evt. Nachteile drin sehen wenn man zu viel von sich preisgibt… was ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist).

    Vergleiche ich wkw mit Facebook und StudiVZ/MeinVZ, so faellt die schlanke Funktionalitaet auf, und da liegt auch meiner Meinung nach ein Teil des Erfolges von wkw… das ist Vergleichbar mit „damals“, als Google Yahoo den Rang als Top Suchmaschine abgelaufen hatte: Google hatte sich einfach auf ein ganz schlichtes Suchformular reduziert (und ist dieser Schlichtheit auch heute noch treu geblieben).

  5. Nur dass mich die Suchfunktion bei wkw nervt, immer diese gefundenen Wortbestandteile! Wenn ich jemanden namens Höhl suche, will ich doch keinen Ort namens Hohlbach oder so finden…
    Ich denke, XING hat sich als Businessnetzwerk positioniert; wer dort geschäftlich vertreten ist, will vielleicht nicht unbedingt in einem so freizeitmässig orientierten Netzwerk wie wkw präsent sein. Von meinem XING-Kontakten habe ich auch nur solche gefunden, die jung und internetaffin sind.

  6. Ich habe schon bei verschiedenen Sachen festgestellt, das Funktionen, die anderen (newbies) Zugute kommen haeufig „alten Hasen“ Steine in den Weg legen… die Hilfe von MS Office ist da z.B. so ein Ding: frueher bin ich da ueber zwei, maximal drei Schlagwoerter schnell ans Ziel gekommen, heute arbeitet die Suche anders (ganze Saetze sind auf einmal willkommen, und selbst mit der Indexsuche komme ich selten auf den ersten Versuch zum Ziel).

    Egal wie ein Bedienkonzept aussieht: es wird immer jemanden nicht passen. Eine Mitgliedersuche aehnlich detailliert wie bei Xing wuerde mir bei wkw aber schon gefallen, denn wenn man da so seltene Namen wie „Michael Müller“ sucht… ist man irgendwie verloren 🙂

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