Deutschland – Land der Foren

Auf Twitter gab es diese Woche eine interessante Diskussion, wie es um die Foren bestellt ist. Dabei ging es unter anderem um die Aktivität in Foren im Vergleich zu Facebook.

Alex Troll via Twitter: Immer öfter lese ich „Foren sind nicht tot“. Stimmt, aber ich kenne kaum einen, der genauso aktiv in einem Forum ist, wie z.B. auf Facebook. … Foren werden bestehen, keine Frage. Nur die breite Masse wird sie weniger nutzen. D.h. aber auch, dass sich Expertengruppen bilden

Bekanntlich leben totgesagte länger und Deutschland kann ohne weiteres als Land der Foren bezeichnet werden. Mitte letzten Jahres habe ich für den Fachverband der Bordeaux-Weine Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux (CIVB) – eine Marktanalyse durchgeführt, auf welchen Social Media Kanälen im deutschsprachigen Raum zum Thema Wein diskutiert wird. Interessante Erkenntnis:

Deutsche bevorzugen Foren und vertikale Communitys
Deutschland unterscheidet sich in Bezug auf die Community-Nutzung von anderen europäischen Ländern: Während nach einer in 2008/2009 durch den CIVB zum Thema Wein in Frankreich durchgeführten Untersuchung große horizontale Communitys wie Facebook oder MySpace eine wichtige Rolle spielen, werden im deutschsprachigen Raum gerade für fachbezogene Diskussionen spezialisierte vertikale Themen-Communitys (Foren) als Diskussionsplattform bevorzugt. Trotz Facebook und Co. haben die Foren mit einem Anteil von 90% klar die Nase vorn. Auf den weiteren Plätzen folgen Blogs (5%), Twitter (3%) und Datenbanken (2%).

Ein Vergleich der Mitgliederzahlen der größten deutschsprachigen Wein-Community mit den jeweils größten deutschsprachigen XING -und Facebook-Gruppen zum Thema Wein verdeutlicht dies:

social_media_wine

  • größte Wein-Community: 200.000 Mitglieder
  • größte Wein XING-Gruppe: 14.300 Mitglieder
  • größte Wein Facebook-Gruppe: 365 Mitglieder

Die Zahlen sind Stand 05/2009. Inzwischen wird sich das Nutzungsverhältnis höchstwahrscheinlich zugunsten von Facebook, Twitter und Co. verschoben haben. Von einer Wachablösung sind wir im deutschsprachigen Raum aber noch weit entfernt und Foren bzw. vertikale Communitys werden nach meiner Einschätzung auch in den nächsten Jahren noch eine überaus wichtige Rolle spielen.

Auswirkungen auf die Social Media Strategie
Für die Themenfelder Community Management, Social Media Marketing und Social Media Monitoring bleibt diese Erkenntnis nicht ohne Folgen: Während Firmen in den europäischen Nachbarländern in vielen Themenbereichen guten Gewissens ihre Aktivitäten auf Branchenriesen wie Facebook konzentrieren können, finden wir in Deutschland eine wesentlich inhomogenere Struktur vor. Bei der Planung von Aktivitäten im Bereich Asymmetrisches Community Management und Social Media Marketing sollte dies unbedingt berücksichtigt werden, ansonsten läuft man Gefahr, einen großen Teil der Diskussionen und Aktivitäten zu verpassen.

Kommentar / Update 22.02.2010
Vielen Dank für die (teils kritischen) Anregungen, u.a. bei Facebook und Yuccatree.de. Die genannten Zahlen sind natürlich nur eine Momentaufnahme und die zitierte Grafik nur ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten Marktanalyse. Auch lässt sich das Thema Wein selbstverständlich nicht unreflektiert auf andere Themenbereiche übertragen, spontan fallen mir aber diverse weitere Beispiele ein: Programmierung, Fotografie, Haustiere, … . Insgesamt ging es mir auch weniger darum, die grundsätzliche Bedeutung von Facebook, Xing, Twitter und Co. in Frage zu stellen, sondern viel mehr um die Tatsache, dass die Deutschen etwas anders ticken bei Communitys im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn.

news.de-Artikel: Soziale Netzwerke – Keine Zielgruppe ohne Community

In Reaktion auf meinen Artikel „Social Netzworks – beginnt jetzt der Wildwuchs?„, in dem mich unter anderem auch kritisch über den Launch der Community des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) blutspender.net geäußert hatte, bin ich von der news.de-Redaktion zur Zukunft der Sozialen Netzwerke interviewt worden. Ein Teil davon ist in den news.de- Artikel „Soziale Netzwerke – Keine Zielgruppe ohne Community“ eingeflossen.

Friedrich-Ernst Düppe, Presseprecher des Blutspendedienstes des DRK, kommt in dem Artikel auch zu Wort. Ein kurzer Auszug:

Verabredungen zum Blutspenden sind laut Düppe Usus unter den zwei Millionen DRK-Spendern.

Und zum Thema asymmetrisches bzw. dezentrales Community Management, was mein Lösungsansatz für die Ziele des DRK gewesen wäre:

„Wir wollen kein Anhängsel eines anderen Netzwerkes sein, sondern selbst entscheiden, was wir den Spendern bieten und welche Qualitätsmaßstäbe wir an Dinge wie Datenschutz setzen“.

Dann steht ja einem durchschlagenden Erfolg des Projektes eigentlich nichts mehr im Wege… Nichtsdestotrotz wünsche ich dem DRK, dass die gewünschten Ziele auch „klassisch“ erreicht werden können. Immerhin dient blutspender.net ja einem guten Zweck!

Symmetrisches vs. Asymmetrisches Community Management

Mark Ralea, Geschäftsführer von Eikyo und Vorstandsmitglied im Bundesverband Community Management, hat im Rahmen der Vorbereitungen zu seinem neuen Buch einen interessanten Artikel veröffentlicht, der sich mit dem Thema Asymmetrisches Community Management beschäftigt.

Symmetrisches Community Management
Im symmetrischen / klassischen Community Management betreut der Community Manager (CM) eine Online-Community direkt, z.B. eine Community zu einem bestimmten Produkt seines Auftraggebers. In Bezug auf Produkt- / Marken-Communities ist es also das Ziel, möglichst viele Nutzer für die eigene Community zu gewinnen und so über das eigene Netzwerk die selbst gesteckten Ziele (Kundenbindung, Kundengewinnung, etc.) umzusetzen.

Asymmetrisches Community Management
Der von Mark beschriebene Ansatz des asymmetrischen (oder verteilen) Community Management setzt an einer anderen Stelle an: der Community Manager wird überall dort aktiv, wo sich Nutzer mit den Produkten des Auftraggebers auseinander setzen, d. h. im Rahmen bereits bestehender Sozialer Netzwerke. Dies kann z. B. durch eine aktive Beteiligung des CM an Diskussionen durch Informationsbereitstellung erfolgen, wobei die offizielle Funktion bzw. der Bezug des CM zum Produkt / zur Marke natürlich klar erkennbar sein sollte.

Asymmetrisches Community Management (Quelle: eikyo.de)
Asymmetrisches Community Management (Quelle: eikyo.de)

Einen Ansatz für Asymmetrisches Community Management bieten Netzwerke wie MySpace, wo sich Firmen im Rahmen der Plattform eigene Profile / Seiten anlegen können und somit auch Nutzer im Rahmen eines bestehenden Sozialen Netzwerks erreichen, ohne dass diese erst als Nutzer für eine separate Plattform gewonnen werden müssen.

Im weitesten Sinne können auch die Gruppen im Business-Netzwerk XING als Beispiele für Asymmetrisches Community Management dienen.

Symmetrisches vs. Asymmetrisches Community Management
Auf Basis des aktuellen Ansatzes sind die Grenzen zwischen symmetrischem und asymmetrischen Community Management durchaus fließend: ein Profil in MySpace zählt in Relation zu einer ggf. existierenden eigenen Community zu den asymmetrischen Aspekten des Community Management, beinhaltet durch seine Ausgestaltung als Sub-Community aber im Prinzip auch gleichzeitig den symmetrischen Ansatz.

Interessant wird zu betrachten, in wie weit sich die Anforderungen an das Community Management unter den genannten Aspekten verändern. Eine Herausforderung ist hierbei vor allem in der Ansprache der User zu sehen, gerade wenn es sich um eine Produktdiskussion in einer nicht-kommerziellen Umgebung handelt. Oder anders ausgedrückt: Es ist ein Unterschied, ob ich mich als User bewusst in einer Marken-/Produkt-Community anmelde oder ob sozusagen die Marke zu mir kommt, unter Umständen in einem Umfeld, in dem ich dies nicht unbedingt erwarte. Die nächste Herausforderung liegt sicher auch in der Kommunikation und Abstimmung mit den Betreibern einer Online-Community, in der ich als CM gerne für meinen Auftraggeber aktiv werden möchte.

In diesem Sinne bin ich sehr gespannt, welche weiterführenden Fragestellungen und Konzepte zum Thema Community Management sich in der weiteren Diskussion aus dem Ansatz von Mark ergeben.