Meinungsführer – Chance und Gefahr im Community-Management

Aller Anfang ist schwer, dies gilt natürlich auch für den Aufbau einer funktionierenden Online-Community. Als zentraler Erfolgsfaktor, in der Startphase und natürlich auch in den späteren Phasen, wird die Gewinnung von Mitgliedern gesehen, die zum einen aktiv das Leben in der Community mitgestalten und zum anderen auch die frohe Botschaft der Community weitertragen. In Bezug auf die Außenwirkung spricht man auch von sogenannten Evangelisten, die durch ihre Außenwirkung maßgeblich zur Verbreitung und der erfolgreichen Umsetzung der Ziele der Community beitragen. Neben dem Wirken nach außen nehmen sehr aktive Mitglieder auch oft innerhalb des Sozialen Netzwerks eine exponierte Stellung ein, man spricht dann auch von einem Meinungsführer. Meinungsführer sind eine tragende Säule der virtuellen Gemeinschaft und genießen auch ein entsprechendes Ansehen unter den anderen Mitgliedern. In Online-Communities mit fachbezogenen Themen sind diese Meinungsführer zu großen Teilen fachlich sehr versiert und tragen gerade in den (meist) kleineren Special-Interest-Communities viel inhaltliches als Experten bei.

Die Kehrseite zu starker Meinungsführer
Allerdings gibt es auch bei dieser Konstallation eine Kehrseite, nämlich genau dann, wenn ein Mitglied als Meinungsführer eine zu wichtige Rolle einnimmt. Bleiben wir bei dem Beispiel der fachbezogenen Special-Interest-Community und nehmen an, dass diese sich gleichermaßen an Anfänger, Fortgeschrittene und Experten in einem bestimmten Bereich richtet. Die ausgewiesenen Experten unter den Mitgliedern steuern hochwertige Beiträge bei und machen so das Projekt für andere (neue) Mitglieder interessant. Idealerweise unterstützen sie auch andere Mitglieder, die fachlich noch nicht so weit sind. Allerdings entsteht jetzt ein interessanter und in Bezug auf das Community-Management auch gefährlicher Effekt: Durch die starke Rolle eines Meinungsführers richten sich die durch andere Mitglieder veröffentlichten Inhalte stark an diesem aus, d.h. das (positive) Feedback durch dieses Mitglied wird als sehr wichtig empfunden. Agieren der fachlich versierte Meinungsführer und die anderen Mitglieder auf einem annähernd vergleichbaren fachlichen Niveau, so kann diese starke Ausrichtung am Meinungsführer durchaus auch einen positiven Effekt auf das Niveau Inhalte haben. Allerdings wird für neue Mitglieder, die fachlich noch nicht das gleiche oder zumindest ein ähnliches Niveau erreicht haben, durch dieses Verhalten eine nur schwer zu überwindende Einstiegshürde aufgebaut. Ein praktisches Beispiel bilden hier Online-Communities aus den Bereichen Fotografie und Kunst.

Lösungsansätze
Bei den Lösungsansätzen tritt ein altbekanntes Problem zu Tage: Es ist sehr schwer, eine Community für Anfänger und Experten gleichermaßen dauerhaft interessant zu gestalten. Trennt man strikt nach dem fachlichen Niveau, gibt es im Regelfall Probleme mit der Selbsteinschätzung und letztendlich wird es durch die „Klassengesellschaft“ entweder zu Unstimmigkeiten kommen oder der Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Fachleveln wird nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden. Überlasst man die Entwicklung der Selbstregulation, wird meiner Erfahrung nach immer eine Gruppe (entweder Anfänger oder Experten) nach einiger Zeit die Lust an dem Projekt verlieren, da die Diskussionslevel nicht (mehr) mit den eigenen Ansprüchen übereinstimmen. Eine Patentlösung gibt es hier, wie so oft im Bereich Community-Management, leider nicht.

Fazit
Ein starkes Engagement einzelner Mitglieder in einer Community ist sehr wichtig, allerdings sollte man in Bezug auf den langfristigen Aufbau einer Community im Hinterkopf behalten, dass hierdurch auch negative Effekte für die Ziele der Community entstehen können. Meinungsführer bedürfen also nicht nur in Bezug auf ihr explizites Verhalten, sondern auch in Bezug auf ihre implizite Wirkung auf das Verhalten anderer Mitglieder einer besonderen Beachtung.

7 Gedanken zu „Meinungsführer – Chance und Gefahr im Community-Management“

  1. Schönes Thema. Danke für den Hinweis auf die potentiellen negativen Aspekte, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Meinungsführer können für kommerzielle Communities ziemlich interessant sein, eben weil ihre Einflussnahme hoch ist und sie die Meinungsbildung der anderen Nutzer beeinflussen. In der Untersuchung, die ich für meine Bachelor-Arbeit durchgeführt hatte, habe ich feststellen können, dass Menschen, die sich dem Meinungsführer-Aspekt zuordnen ließen, ein Interesse daran hatten, anderen zu helfen (neben dem Interesse, zu diskutieren, zu argumentieren und der erste zu sein, der antwortet). Das sollten sich Community-Manager zunutze machen, indem sie Meinungsführer mit Belohnungssystemen einen zusätzlichen Anreiz bieten.

  2. Hi Daniel,

    sobald eine Community eine Gewisse Groesse ueberschritten hat, ist es wohl durchaus moeglich beides (Anfaenger und Pros) nebeneinander zu haben…. wenn auch nicht wirklich einfach.

    Bei einigen Communities werden die von Trixi angesprochenen „Belohnungen“ verteilt (z.B. Awards, Benutzertitel)… trotzdem laesst sich damit nur schwer die Diskrepanz zwischen Einsteigern und Meinungsführern überbrücken… oder aber es werden bestimmte Bereiche angeboten, die eben nicht allen Usern zugaenglich sind.

    Als durchaus Problematisch konnte ich die Erwartungshaltung von Meinungsführern in einer Community sehen: wenn da bestimmte Sachen nicht nach deren Willen ging, wurde mit einem grossen Feuerwerk der Abschied aus der Community gefeiert (mit dem Effekt, das andere User mitgezogen wurden). D.h. als Betreiber der Community muss man wohl beachten, sich nicht mit den Meinungsfuehrern zu ueberwerfen.

    Interessant aber auch, das solche Meinungsfuehrer durchaus Wirkung ueber die Community hinaus haben koennen (wobei die Community da wohl auch eine bestimmte Groesse benoetigt): Gebrauchtpreise der im Board empfohlene Artikel stiegen auf der eBucht.

  3. Ich habe erlebt, dass Meinungsführer Communities verlassen haben, aber die Communities blieben trotzdem stark. Es gibt dann eine Zeit lang auch durchaus konstruktive Diskussionen unter den Mitgliedern, aber insgesamt muss schon viel passieren, bevor interessierte Nutzer die Gemeinschaft verlassen. Der Ausstieg wird ja oft auch zelebriert mit viel Tamtam… und die Nutzer kommen dann wieder, nach einer Weile 😉

  4. @Trixi: Danke für dein Feedback. Wie groß war denn in deiner Untersuchung der Anteil der Meinungsführer, die aktiv andere Mitglieder (auch Anfänger?) unterstützt haben.

    @Markus: Das Abschieds-Feuerwerk ist ein sehr interessanter Aspekt, den ich auch schon das ein oder andere mal erleben durfte. Letztendlich kann man in diesem Fall eigentlich nur schauen, dass die dabei immer entstehende Diskussion in einem vernünftigen Rahmen läuft. Den Meinungsführer zum Bleiben zu animieren ist in diesem Fall nicht sinnvoll, Reisende soll man ziehen lassen. Und im Regelfall kommen die meisten irgendwann auch wieder zurück, wie es Trxi richtig angemerkt hat.

    Die von euch angesprochenen Belohnungssysteme sind übrigens ein sehr interessanter Aspekt und auch ein schönes Thema für den Blog. 😉

  5. In der Tat kommen von denen, die sich mit einem Feuerwerk verabschiedet haben viele wieder (und trotz neuem Nick und zunaechst zurueckhaltendem Verhalten fallen diese User relativ schnell wieder auf…. und werden erkannt…. teils weil sie es so wollen, teils weil sie einfach nicht anders koennen).

    Zum Bleiben animieren… letzten Endes muss auch ein Meinungsfuehrer lernen, das eine Community auch ohne ihn leben kann (in einem Fall wurde einem Teil der Community, in der ich sehr aktiv bin, quasi der „Tod“ prophezeit, weil zwei Meinungsfuehrer, deren „Juenger“ und einige Anhaenger die Community mit dem Ziel einer anderen Community verlassen hatten…. interessanterweise sind beide Meinungsfuehrer innerhalb Jahresfrist wieder aufgetaucht 🙂 ).

    Zum Belohnnungssystem faellt mir auch noch ein, das hinter der einen Community ein Haendler steht, der bestimmten Usern Rabatte gewaehrt. D.h. die Aktivitaet in der Community wirkt sich in einem handfesten und finanziellen Vorteil aus.

  6. Das kann ich nicht sagen, Daniel. Also ich hatte keine solche Fragestellung. Es hat sich nur in der Clusteranalyse gezeigt, dass die Charakterisierung des Meinungsführers stark auf den Hilfe-Aspekt hinwies.

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