5 + 1 Frage an Florian Stöhr, Community Manager von stayblue (OScommunity)

„Grau ist alle Theorie“ schreibt Goethe in seinem Faust. Theoretische Aspekte sind ohne Frage immens wichtig, was letztlich zählt ist allerdings die Praxis. Mit ein Grund, im Rahmen der Interview-Reihe „5 + 1 Frage an“ Community Manager zu Wort kommen zu lassen. Eine Erfahrung aus der Praxis: Die Verknüpfungen zwischen Online-Communitys und dem realen Leben werden zunehmen enger. Was das alles allerdings mit dem Ikea Kleiderschrank PAX STORDAL zu tun hat, beantwortet der heutige Interview-Partner Florian Stöhr. Florian ist Community Manager bei Basecom (evtl. besser bekannt als Betreiber der regionalen Community stayblue.de) und twittert unter @floehr. Vielen Dank für deine Zeit!

Wie immer der Hinweis: Zusätzliche Fragen an den Interviewpartner können natürlich gerne wieder über die Kommentarfunktion gestellt werden.

Stell dich bitte kurz vor: Was machst du beruflich, was machst du privat?
Mein Name ist Florian Stöhr, ich bin 31 Jahre alt und Community-Manager von stayblue, einem regionalen Social Network mit knapp 500.000 Nutzern in vier Landkreisen Niedersachsens. Bei unserer Company ist die Community eines von zwei Unternehmensstandbeinen, aus diesem Grund sind die beiden Community-Manager auch Teil der dreiköpfigen Geschäftsleitung und erledigen neben der Community-Arbeit auch noch allerlei andere Aufgaben, die in einer Firma anfallen. Das Privatleben kommt leider ein wenig kurz, da ich nebenbei noch an der Fernuni Hagen Politik studiere.

Wie bist du zum Thema Community Management gekommen und was war dein erster Berührungspunkt mit den vielgerühmten „Social Networks“?
2004 lernte ich an der Uni Osnabrück Michael kennen, der zusammen mit Manuel und Hannes die regionale OScommunity als Hobby betrieb. Die Plattform hatte damals knapp 2000 User. Da alle drei eher aus der Entwickler-Richtung kamen, suchten sie noch einen Grafiker. Da ich schon jahrelang nebenbei Webseiten, Magazine und Flyer gestaltete, stieg ich mit in das Projekt ein. Irgendwann mieteten wir ein Büro und professionalisierten das Ganze Schritt für Schritt.

Inzwischen haben wir unsere regionalen Communitys unter dem Markennamen stayblue auf mehrere Landkreise ausgedehnt und sind das virtuelle Zuhause von knapp 500.000 Nutzern. Das Büroteam dahinter besteht aus knapp 50 Köpfen, die nebenbei auch noch Deutschlands größte und beste Punk-Community „Abgefuckt liebt Dich“ betreiben.

Unsere Communitys waren eigentlich immer technology driven. Wenn es Probleme gab, wurde eine technische Lösung gefunden. Das hat uns in manchen Bereichen sehr weit gebracht, irgendwann stößt man aber auch damit an seine Grenzen. Ein klassisches Community-Management gab es bis vor einem Jahr bei uns nicht, die mannigfaltigen Aufgaben wurden von mehreren Bereichen und Personen betreut. Ein in der Hierarchie klar positioniertes  Community-Management wurde erst in der letzten Zeit eingeführt. Einen großen Anteil hat daran sicherlich der BVCM (Bundesverband Community Management, Anm. d. R.), der uns gezeigt hat wie wichtig es ist, diesen Bereich professionell aufzubauen.

Es stellt sich die Frage, ab wann ein Internetdienst ein Social Network ist? Wenn wir ICQ dazu nehmen, dann ist das wahrscheinlich meine Einstiegsdroge gewesen – damals, mit meinem Apple Performa 475 mit rasanten 25MHz und dem sympathischen Gefiepe eines 28,8k-Modems.

Was ist für dich persönlich Community Management?
Der Community-Manager ist für mich ein idealtypischer Herbergsvater. Er wird von den meist jungen Gästen als natürliche Autorität wahrgenommen auch wenn sie vor ihm keine Angst haben und ihm vertrauen. Natürlich muss er schauen, dass seine Jugendherberge sauber und gut in Schuss bleibt, deswegen treibt er jeden Tag seine Leute an die Zimmer sauber zu machen. Abends setzt er sich gerne mal mit seiner Gitarre in den Gemeinschaftsraum und unterhält die Gäste. Wenn sie sich nicht an die Regeln halten und nachts Partys veranstalten muss er aber einschreiten und eventuell Sanktionen erlassen. Je voller die Hütte, desto besser. Deswegen macht der Herbergsvater auch ein bisschen Werbung, arbeitet aber hauptsächlich an einem guten Ruf um viral möglichst viele Übernachtungen zu akquirieren. Was ihn ein bisschen nervt ist die Buchhaltung, die ihn viel zu lange von den in seinen Augen wichtigeren Aufgaben abhält. Aber wenn die Zahlen stimmen und er seinen Job gut macht, kann er vielleicht irgendwann mal anbauen oder seine Jugendherberge sanieren. Wobei er als Bauherr natürlich eng mit den Architekten zusammenarbeitet oder auch mal selber anpackt.

Was war dein größtes Highlight in Verbindung mit dem Thema Community Management?
Ich greife eines der vielen Highlights dieses Jobs heraus, weil ich es so wunderschön belegen kann. Theoretisch formuliert: Mein Highlight ist der Augenblick, in dem die virtuelle Rolle im realen Leben anerkannt wird und man direktes Feedback für seine Arbeit kriegt. Das praktische Beispiel dazu hat mit PAX Stordal zu tun, einem Kleiderschrank von IKEA mit wirklich schlechter Montageanleitung. Durch persönliches Unvermögen habe ich beim Aufbau mehrere systemrelevante Plastikstifte abgebrochen und zusätzlich die Alu-Front verkratzt, was im häuslichen Umfeld nicht so gut ankam. Um wenigstens die Funktionalität mit diesen Plastikdingern herzustellen, pilgerte ich zum IKEA-Ersatzteilschalter. Die Dame hinter der Theke lächelte mich sofort überfreundlich an und fragte, ob ich nicht der Typ von OScommunity wäre. Sie sei ja schon ewig Mitglied und würde meine Videos immer sehr cool finden. Dann ging alles sehr schnell: Eine Quittung (hatte ich eh nicht mehr) musste ich nicht zeigen, ein neuer Karton wurde herbeigezerrt und vor mir mit dem Kommentar „Nimm Dir mal raus was Du brauchst“ aufgerissen. Die unverkratzten Aluschienen lächeln mich heute jeden Morgen an.

An welche Erfahrung denkst du dabei weniger gerne zurück?
Die Amoklaufzeiten sind bei einer „jungen“ Plattform wie unserer immer ziemlich heftig. Einige Nutzer finden es dann im medialen Sog immer sehr lustig irgendwelche Pseudo-Ankündigungen auf der Plattform zu veröffentlichen. Die Pseudo-„Todesliste“, ein gefaktes Lehrerfoto auf unserer Plattform, ging vor vier Jahren durch die Lokalpresse. Zum Glück hatten wir damals alles richtig gemacht, der Redakteur und die Öffentlichkeit stellten sich vor uns. Aber neben der entstehenden Arbeit mit der Polizei schwingt bei mir immer die Angst mit, dass wirklich einmal ein Nutzer unsere Plattform für so etwas missbraucht.

Zusatzfrage: Welche Frage wolltest du schon immer mal in einem Interview beantworten, die dir aber noch nie gestellt worden ist?

Warum sind Deine Käässpätzle immer so lecker?

Wichtig sind unmenschlich viele Eier (pro 100g Mehl eines), kräftige Oberarme und besonders ein Profi-Spätzle-Hobel, denn dieses ganze Geschabe und Gedrücke mit unterschiedlichen Gerätschaften macht keinen Sinn (sagt meine Mama).